Zwischen Tel Aviv und Yad Mordechai

Reisebericht zum Jugendaustausch zwischen den Falken und den Jugendbewegungen der jüdisch-israelischen Hashomer Hatzair und der arabisch-israelischen Ajial.

 

Zuerst ging es am 21.03. nach Berlin, wo wir eine angenehme Nacht im Anton-Schmaus-Haus der Falken-Neukölln verbrachten um dann am nächsten Morgen nach Israel aufzubrechen. Unsere erste große Sorge vor der Reise, das Befragungsprozedere am Flughafen Berlin-Schönefeld, stellte sich als relativ harmlos heraus. Nachdem wir alle bestätigt hatten, dass wir auch wirklich kein tickendes „Gastgeschenk“ mitführen, ließ man uns endlich aufbrechen zu der Reise, zu der die höchsten Erwartungen im Verlauf der Vorbereitungstreffen geweckt worden waren. Im Flughafen Ben Gurion in Tel Aviv machten wir gleich nach unserer Ankunft eine unerfreuliche Erfahrung mit dem Misstrauen israelischer Behörden. Denn unser Delegationsleiter Coskun, dessen Name und Äußeres auf eine arabische Herkunft schließen lassen könnte, musste sich einer genaueren Befragung unterziehen: „What's your father's first name?“ Antwort: „Mustafa.“ „Can you come with me, please?“. Letztlich durfte aber auch Coskun nach Israel einreisen und wir wurden von der Leiterin Advah, unserer Gastgeberorganisation Hashomer Hatzair und dem Teil der deutschen Delegation, die bereits in Israel war, in Empfang genommen.

Auf deren Ortskenntnisse konnten wir uns vom ersten Moment an verlassen, so dass wir ohne Angst zu haben irgendwo verloren zu gehen, Land und Leute kennen lernen konnten. Die Möglichkeit dazu erhielten wir schon auf der knapp zweistündigen Zugfahrt von Tel Aviv nach Akko, da wir als deutsche Reisegruppe, teils in unseren Blauhemden, schnell die Aufmerksamkeit der Mitreisenden erweckten und überraschend schnell ins Gespräch mit ihnen kamen, wobei wir die ersten Eindrücke und die ersten Brocken hebräisch mit auf den Weg bekamen und uns somit schon so gut wie total akklimatisiert fühlten; nur die ständige Militärpräsenz war noch immer etwas ungewohnt. Die ersten beiden Tage verbrachten wir im Kibbutz 'Ein Hamifratz', in der Nähe der ehemaligen Kreuzritterfestung Akko, und erfuhren dort durch interessante Filme und Bücher etwas über die Ursprünge des Zionismus und erarbeiteten zugleich die Unterschiede des Zionismusverständnisses von heute zu damals, die uns dann als wesentliche Grundlagen zum Verständnis des Nah-Ost-Konflikts dienlich waren.

 

 

Die Tour durch Haifa, der drittgrößten Stadt Israels, die uns Sharon (Hashomer) am dritten Tag gab, war besonders herausragend, da sie uns mit einfachen Mitteln die interessante Geschichte der Stadt und der Arbeiterbewegungen in der Stadt näher brachte und wir zudem nicht nur sehr viel gelernt haben, sondern zudem einen schönen sonnigen Tag (26° C) mit berauschend vielen neuen Eindrücken, Erlebnissen und Erfahrungen verbrachten, der seinen absoluten Höhepunkt am Abend in Holon fand, wo wir auf dem Dach unserer Unterkunft, gemeinsam mit den Mitglieder der Hashomer und der Kommune, die uns beherbergte, bis in den späten Abend hinein Lieder sangen und schließlich dank der milden Temperaturen über den Dächern der Stadt im Freien übernachteten. Am nachfolgenden Tag begleiteten wir 9-12jährige Kinder – aus meist schwierigen Verhältnissen – bei einem 'day camp' auf dem Gelände einer Schule in Holon, wobei wir einiges über die Strukturen der Hashomer Hatzair erfuhren und natürlich nicht zuletzt Spaß an der Arbeit mit den Kindern hatten.

 

Weitaus weniger spaßig, aber auf bedrückende Art und Weise umso eindrucksvoller, war am Folgetag die Führung durch die Central Bus Station und die „Slums“ von Tel Aviv. Dort bekamen wir die Kehrseite der israelischen Gesellschaft zu sehen. Lange diskutierten wir über Parallelen in der deutschen und der israelischen Gesellschaft, was nicht zuletzt auch deswegen interessant war, weil die Probleme mit den 'Fremdarbeitern', die heute in Israel existieren, zumeist ähnliche Probleme sind, mit denen unsere Gesellschaft in den 60er und 70er Jahren konfrontiert war. In Jerusalem verbrachten wir insgesamt drei Tage, in denen wir die Altstadt erkundet haben und eine sehr gute Führung durch Yad Vadshem, das größte Holocaust-Museum/der Welt, hatten. Es gab viele Workshops und Diskussionen, zum einen zum Selbstverständnis und zu den Zielen unserer Jugendbewegungen und zum anderen zu der Bedeutung und Herangehensweise der Shoa in unseren Gesellschaften.

 

Die Diskussionen mit den im Verhältnis meist etwas älteren Mitgliedern der Hashomer Hatzair waren sehr wichtig und sehr ertragreich, da die angesprochenen Themen nicht nur zwischen uns und den Mitglieder der Hashomer kontrovers diskutiert wurden, sondern auch immer wieder zu Diskussionen innerhalb der Organisationen führten, wobei einige wichtige Fragen doch weitreichend geklärt werden konnten. Nach den drei Tagen in Jerusalem, der anschließenden Fahrt in den Süden nach Yad Mordechai, einem Kibbutz in direkter Nähe zum Gazastreifen und einem interessanten Besuch in dem dortigen Museum zum Thema „Awakening of the jewish selfdefence“, das eine Verbindung zwischen dem Widerstand in den Ghettos von Warsawa und Wilna und dem Verteidigungskampf im Unabhängigkeitskrieg 1948 ableitete, waren wir alle außerordentlich froh, am Abend zur Pessach-Feier im Speisehaus des Kibbutz eingeladen zu sein. Sowohl dort, als auch am nachfolgenden Tag am nahegelegenden Strand, konnten wir bei sommerlichen Temperaturen ausspannen und die schönen Seiten Israels genießen, wenngleich es doch wieder etwas gruselig war, weil man vom Strand aus die Silhouette von Gaza-Stadt sehen konnte.

 

 

Ein Themenbereich fehlte allerdings bis dato und war, aus unserer Sicht, auch am Ende noch zu kurz gekommen: der arabische Sektor. Dieser stand am 31.03. auf dem Tagesplan. Wir besuchten das Dorf Shaab, eine arabische Ortschaft mit etwa 7000 Einwohnern. Erst einmal wurde uns hier gezeigt, wie die Gebote der Gastfreundschaft auf herausragenste Art und Weise befolgt werden können – sehr zum Leidwesen derjenigen, die gewöhnlich etwas weniger essen und zu schnell satt waren. Danach machten wir einen Rundgang durch das Dorf,und erfuhren von verschiedenen Ajial-Mitgliedern etwas über die Situation der arabischen Minorität in Israel. Schließlich wurden wir von einem arabischen Arzt eingeladen, der lange in Deutschland studiert hatte, so dass wir uns ohne Sprachbarriere über alle Themen, die uns einfielen, unterhalten konnten. Trotz dieses sehr schönen und informativen Tages hätten wir uns gewünscht mehr über diese Thematik zu erfahren, doch letztlich war leider nicht mehr Zeit dafür eingeplant.

 

Mit einem hervorragendem Humus-Essen in Akko, der Spezialität im Nahen Osten schlechthin, und einer Schluss-Reflexion am nächsten Tag, kam unser knapp zweiwöchiger Austausch in Israel leider auch schon zum Ende; wir verbrachten den Abend noch im Kibbutz 'Ein Hamifratz', verabschiedeten uns noch lange von unseren Gastgebern und machten uns gegen 2.00 Uhr auf den Weg zum Flughafen, um am 2. April nach 12 Tagen wieder in Berlin-Schönefeld zu landen.

 

Wir vermissen die Diskussionen, Seminare und Workshops mit unseren Gastgebern der Hashomer Hatzair, die täglich neuen Eindrücke und Erkenntnisse, aber natürlich auch die israelische Sonne, schon seitdem wir wieder in Berlin gelandet sind. Wir freuen uns bereits sehr auf die Rückbegegnung im Herbst, wenn die Mitglieder der Hashomer Hatzair und der Ajial nach Deutschland kommen – und natürlich auf die nächste Reise nach Israel, die in einem Jahr wieder in den Osterferien stattfinden wird.

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