Von A wie Artistic bis P wie Perfect
„Zypern? Das ist doch diese griechische Insel wo man so schön Urlaub machen kann.“ So oder so ähnlich klingen die meisten Aussagen, fragt man jemanden auf der Straße nach Zypern. Und auch ich als Studentin der Sozialwissenschaften und selbsternannte weit gereiste Kosmopolitin muss zugeben, dass mir bis zur Teilnahme am Zypern-Arbeitskreis der Falken nicht bewusst gewesen ist, dass es fast zwanzig Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung immer noch Länder in unserem ach so vereinten Europa gibt, die in sich geteilt sind. Dankenswerterweise hat es sich der Bezirksverband Hannover der SJD – Die Falken in Zusammenarbeit mit IKME (zyperngriechische Stiftung) und BILBAN (zyperntürkische Stiftung) auf die Fahnen geschrieben, gegen diese Unwissenheit anzugehen und für Aufklärung zu sorgen.
Entsprechend neugierig erwarteten wir unsere Gäste aus dem griechischzyprischen Süden und dem türkischzyprischen Norden Zyperns in unserer Hauptstadt, die zufälligerweise nicht nur Symbol der Teilung, sondern auch der Wiedervereinigung Deutschlands ist. Welche Bedeutung könnte diese Stadt demnach eines Tages für unsere Gäste besitzen? Wir waren gespannt.
Nach anfänglichem Beschnuppern wurde das Eis zwischen den „Deutschen“, „Nord-“ und „SüdzyprerInnen“ schneller gebrochen als erwartet. Nachdem sich jedeR TeilnehmerIn mit einem seinem/ihrem Anfangsbuchstaben entsprechenden Adjektiv vorgestellt hatte (unter anderem waren Magnificent Marianna, Unique Ulash und zur Freude aller Teilnehmerinnen Sexy Stefanos mit von der Partie), wurden in schierer Lichtgeschwindigkeit aus Fremden Freunde und auch alte Freundschaften wurden wieder belebt. Da eine gute Freundschaft sich auch durch Ehrlichkeit und Kritikfähigkeit auszeichnet, kam es durchaus zu kontroversen Diskussionen während der vielfältigen Workshops, wie beispielsweise beim Thema Vorurteile. Trotz der Fülle und Komplexität einiger Themen flammte keine Langeweile bei den TeilnehmerInnen auf und auch die schüchternen Fraktionen fanden einen Rahmen sich zu Wort zu melden. Gewährleistet wurde dies durch Anwendung interaktiver Methoden, wie die Aufführung von Theaterstücken oder eine inszenierte TV-Diskussionsrunde zum Bolognaprozess. Neben den vielen Seminaren unternahmen wir spannende Exkursionen: wir waren zum Beispiel im Reichstagsgebäude und haben Berlin sowohl durch politisch-historische Stadtführungen als auch durch eine Schiffsfahrt auf der Spree näher kennen gelernt. Zusätzlich bereichert wurde unser Programm durch die Besichtigung der Gedenkstätte Bergen Belsen. Diese machten wir gemeinsam mit einer muslimischen und christlichen Studierendengruppe aus Bosnien- Herzegowina (Mostar).
Nach den Gruppenarbeiten zur politischen Lage auf Zypern und zu künftigen Lösungschancen für den Konflikt wurden im Plenum wichtige Aspekte für eine bizonale und bikommunale Föderation ausgiebig diskutiert. In den nächsten Wochen soll daraus schließlich eine gemeinsam verfasste politische Erklärung (für alle Anglophilen = Declaration) entstehen, welche die politische Meinung und Forderungen der Projektteilnehmenden repräsentiert.
Die Debattierfreude während der Workshops hielt niemanden davon ab, abends in geselliger Runde das intensive und teilweise auch sehr kräftezehrende politische Tagesprogramm ausklingen zu lassen.
Das Einzige, was einige der TeilnehmerInnen dann doch aus der Fassung brachte, war das sowohl quantitativ als auch qualitativ schlechte Essen in einer Seminarunterkunft in Hannover. Doch das für jeden Notfall gewappnete Organisationsteam um Coskun, Stefanie, Dogukan und Orestis zeigte auch in dieser Stunde großer Not vollen Einsatz: Es stimmte die aufgrund des Hungers leicht gereizten Gäste mit Doughnutlieferungen und dem Besuch bei einer Fastfoodkette wieder zufrieden. Abgerundet wurde der kulinarische Noteinsatz mit einem leckeren Abendessen in der Nordstadtkneipe Cille. Da das leibliche Wohl der ZyprerInnen ganz oben auf der Prioritätenliste der GastgeberInnen stand, fühlten sich die Gäste im Schoße ihrer Gastfamilien pudelwohl und hätten gern noch mehr Zeit bei ihnen verbracht. Der krönende Abschluss des Austauschprogramms war der Besuch des Zirkus Roncalli am Abschiedsabend, der für viele ZyprerInnen die Erfüllung eines Kindheitstraumes war.
Dementsprechend tränenreich und dramatisch war schließlich der Abschied am Mittwoch. Nach 12-tägigem Diskutieren, Beisammensein und jeder Menge Spaß konnte und wollte niemand so richtig „Tschüß“ sagen. Stattdessen einigten wir uns schweren Herzens auf ein „auf Wiedersehen“ 2011 auf Zypern!
Und wem haben wir dies alles zu verdanken? Nicht nur das Leitungsduo Coskun Tözen und Stefanie Nakhal, die 24/7 im Einsatz waren und mit ihrer Begeisterung und Energie für dieses Projekt jedeN anfangs noch so skeptisch dreinblickendeN TeilnehmerIn ansteckten, waren kongenial. Auch die verschiedenen Stiftungen wie der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Stiftung Gedenken und Frieden – Stiftung Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, sorgen mit ihren finanziellen Zuwendungen dafür, dass Projekte wie das German-Cypriot Youth Exchange Programme, die das Zusammenwachsen Europas im Blickfeld haben, überhaupt erst realisiert werden können.
Dafür ein kollektives „Danke“, „Sagol“ und „Efcharisto“ im Namen von uns allen!